Ein GEBURTstag wirft seine Schatten voraus

Eine Geburtstag ist ein Fest, dass man feiern sollte. Jedes Jahr aufs Neue. Aber auch der Tag der Geburt – also der allererste GEBURTstag – sollte ein Fest sein. Leider war die Geburt von NotYet alles andere als ein Fest. Nach feiern war mich nicht zu Mute. Eher das Gegenteil war der Fall… Aber warum schreibe ich jetzt darüber? Weil der GEBURTstag von NotYet seine Schatten voraus wirft – Schatten aus meiner Schattenwelt, die die Vorfreude verdunkeln können.

 

IMG_0032
Mein kleiner Schatz <3 #5yearsago

Emotionale Achterbahnfahrt zum Jahrestag

Ich bin seit Tagen schon emotional unausgeglichen – man könnte fast sagen labil und nahe am Wasser gebaut. Irgendwie unglücklich, unzufrieden. Mir war gar nicht so recht bewusst warum. Hatte es immer auf den Stress geschoben: Kindergeburtstag planen, Vorbereitungen machen, an alles denken müssen und nichts vergessen, diverse Kuchen backen, Geschenke besorgen sowie einpacken und der Herzensmann ist beruflich auch noch zu allem Überfluss unterwegs. Ich twitterte:

„… bin emotional zur Zeit offenbar sehr labil… keine Ahnung warum. 🙁 „

Aber dann fragte Nele von neleundderkleineprinz nach:

„Die Anspannung, der Stress? Jährt sich irgendwas? ((()))“

Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen!!! Ja, natürlich es jährt sich etwas: und zwar nicht nur der Geburtstag meines ältesten Kindes, sondern auch des Jahrestag meines Traumas. Das hatte ich gut geschafft zu verdrängen… Im Verdrängen bin ich einen Meisterin!!! Vordergründig funktioniert das gut – ich funktioniere gut, aber wehe mein hinterhältiges Unterbewusstsein schaltet sich dazu! Es verfolgt einen anderen Plan – es verdrängt nicht. Es will aufarbeiten und dazu muss ich mich aktiv mit der Vergangenheit auseinandersetzten. Muss die Trauer, die ich empfinde, zulassen. Sie darf auch ihren Raum haben – ich sollte ihr den Raum geben.

Ich liebe dich -bedingungslos

Trauer ist die eine Emotion, die ich habe, wenn ich an den GEBURTstag von NotYet denke, aber zum Glück ist es nicht die Einzige! Ich empfinde auch Freunde, Glück und vor allem Liebe zu meinem Kind, die niemals überschattet wurde durch die traumatische Geburt. Ich wurde mal gefragt:

„Liebst du nicht BusyBee mehr, weil du mit ihr nicht so viel Leid verbindest? Muss man da nicht aufpassen, dass man das eine Kind nicht bevorteilt?“

Nein, ich liebe meine Tochter nicht MEHR als meinen Sohn. Ich liebe sie beide – nicht auf dieselbe Weise, aber mit der gleichen Intensität und Hingabe – über ALLES! Mit beiden Kindern verbinden mich tiefgreifende Erfahrungen, die ich mit ihnen teile. ZWEI ganz unterschiedliche Geschichten – ZWEI ganz verschiedene Kinder – ZWEI ganz eigene (Ver-)Bindungen – aber EINE Liebe, die Liebe zu meinen Kindern, die Liebe einer Mutter zu ihren Kindern: sie ist für mich bedingungslos. Deshalb kann weder eine positive noch eine negative Geburtserfahrung jemals Einfluss nehmen auf meine Empfinden oder gar auf die Liebe zu meinen Kindern. Ich habe NotYet immer geliebt. Vom ersten Moment an. Mein Herz quillt über vor Liebe für ihn. Er ist mein großer Schatz – mir so ähnlich. Ich erkenne mich in ihm wieder. Manchmal sind wir uns auch zu ähnlich, dann hält er mir den Spiegel vor und treibt mich in den Wahnsinn, aber die Liebe schmälert das nie. NIEMALS! Er trägt schließlich auch keine Schuld an den Ereignissen – an dem Trauma. Auch er wurde traumarisiert – das eint uns. Wir sind vereint durch Emotionen von Leid und Freude. Das Trauma hat uns nicht entzweit, sondern zusammengeschweisstvielleicht sogar fester? Ich vermag es nicht zu sagen. Aber ist das jetzt relevant? Nein.

IMG_1173.JPG
#5yearsago – wie die Zeit vergeht

Flashbacks

Nicht nur bei mir macht sich anscheinend das Trauma bemerkbar, es wirft seine Schatten auch auf die kleine Kinderseele. Wie aus dem Nichts kommen Flashbacks, ereilen ihn ohne Vorwarnung und treffen auch mich mitten ins Herz – in mein Mutterherz <3 Der letzte Flashback ist noch nicht einmal 1 Monat her. NotYet will sich gerade zum schlafen in sein Bett legen, als er wie von der Tarantel gestochen hochfährt und anfängt bitterlich zu weinen – der kleine Körper bebt, er schluchzt herzzerreißend:

„Wie ich 0 Jahre alt war, ganz klein, war ich im Krankenhaus und habe in die Hose gemacht und niemand hat mir geholfen. Niemand war da. Nur Papa kam manchmal.“

Das ist keine einfache Geschichte, die aus der kindlichen Fantasie entspringt! Nein, es ist ein Flashback – wir hatten schon einige davon. Er erinnert sich an die Zeit in der Neugeborenen-Intensivstation. Mir ist bewusst, dass das tatsächlich möglich ist. Unsere Erinnerungen reichen weiter zurück, als viele glauben mögen. Die Pränatalpsychologie, ein relativ neuer Forschungszweig, konnte schon nachweisen, dass die eigene Geburt im Gedächtnis verhaftet bleibt – und natürlich dann auch die Folgezeit. Deshalb tue ich solche Szenen nicht einfach ab, sondern gehe sehr achtsam mit ihnen um. Ich, ja wir, versuchen ihn aufzufangen in solchen Situation. Ihn ganz fest in den Arm zu nehmen, ihm zu versichern, dass wir immer für ihn da sind… Am liebsten würde ich ihm seinen Schmerz nehmen – er ist so stark, dass selbst ICH ihn körperlich spüren kann. Er ergreift auch mich. Es ist furchtbar. Ich möchte mich entschuldigen, aber der Schmerz schnürt mir in solchen Momenten die Kehle zu. Dann bin ich dankbar, wenn der Herzensmann, anstatt meiner, die richtigen Worte findet. <3

Selbstvorwürfe und Selbstzweifel

Mich trifft es immer sehr, wenn ich ihn so leiden sehe, deshalb twitterte ich:

„Bei solchen Sätzen zerspringt ein Mutterherz sofort und unwiederbringlich in 1000 Teile – kleben zwecklos. #binamBodenzerstört

Ich fühle mich oftmals schlecht, ich hab das Gefühl, dass ich ihn damals im Stich gelassen hätte, ihn nicht genug beschützt hätte. Es war schließlich meine Fehlentscheidung, die uns ins Verderben geschickt hat. Ich habe das Krankenhaus gewählt, ich habe den Untersuchungen zugestimmt, ich habe mich nicht genug gewehrt – ich, ich, ich … Wenn diese Gedanken kommen, befinde ich mich in meinem Gedankenkarussell aus Selbstvorwürfen und Selbstzweifeln. Was hätte ich anders machen sollen? Hätte ich anders machen müssen? Hätte ich mich besser informieren müssen? Was hätte das alles verhindert? Wie hätte ich mein Kind besser schützen können? Hätte ich mehr kämpfen müssen? Hätte, hätte, hätte … All diese Fragen, diese Zweifel helfen niemanden – weder mir noch ihm. Ich kann die Zeit nicht mehr zurückdrehen und meine damaligen Entscheidungen revidieren. Wenn ich es könnte, ich würde es sofort tun! Vom Verstand her, weiss ich, dass ich mir keine mehr Vorwürfe machen sollte, dass sie nichts ändern werden, aber das Herz spielt da nicht immer so mit, ich man es sich wünscht … 🙁

Es ist nämlich knallhart von dem eigenen Kind zu hören, wie schlimm es für ihn war das Trauma – macht mich echt fertig!

Am GEBURTstag – Freude und Liebe strahlen heller als alle Schatten

Der Geburtstag meines Sohnes fällt immer mit dem Jahrestag meines Traumas zusammen – unweigerlich. Freud und Leid liegen sehr nahe bei einander und sie lassen sich nicht immer fein säuberlich voneinander trennen. Aber trotzdem wird wie jedes Jahr am GEBURTstag die Freude und die Liebe überwiegen. Sie strahlen heller als alle Schatten aus der Vergangenheit – erhellen auch den dunkelsten Winkel meiner Seele, eweil es eben auch der Tag ist, an dem mir das kostbarste auf der Welt geschenkt wurde: mein Kind!!! Das kann mir keiner mehr nehmen und deshalb freue mich mich auf den heutigen Tag, dem Tag der Geburt von meinem großen Schatz – NotYet! Ich liebe dich über alles <3

*EURE MOTHER BIRTH*

#Baby #emotional #Flashback #Freude #Geburtstag #Jahrestag #Liebe #Pränatalpsychologie #Selbstvorwürfe #Selbstzweifel #Trauer #Trauma #Geburt #5yearsago

 

8 Gedanken zu „Ein GEBURTstag wirft seine Schatten voraus

  1. Pingback: Die Nachwehen einer schwierigen Geburt: Der 1. Geburtstag

  2. Pingback: Von der Ja-Sagerin zur Bestimmerin – mein langer Weg zur selbstbestimmten Geburt | motherbirthblog

  3. einfachnursilke Antworten

    Auch meine Erfahrung: Die Flashbacks der Kinder sind real. Sie erinnern sich an ihre Geburt bzw. den Zeitraum drumherum. Aber auch diese Erinnerungen können heilen, wenn sie schmerzvoll waren.Alles Gute für euch.

    • motherbirthblog Autor des BeitragsAntworten

      Danke, für deine Worte! Ich dachte lange Zeit, dass mein Kind als einziges diese Flashbacks hat… als ich es dann öffentlich ansprach, stellte ich schnell fest, dass wir in guter Gesellschaft sind und gar nicht so allein, wie ich immer dachte.

      Ich hoffe so sehr, dass die seelischen Wunden meines kleinen Schatzes mal heilen mögen <3

      Liebe Grüße
      Mother Birth

      • Simmis Mama Antworten

        Ich hatte ganz lange angst dass mein kind Flahbacks bekommen könnte. Seit zwei wochen ist es soweit :(.

        Alles gute für euch

      • motherbirthblog Autor des BeitragsAntworten

        Simmis Mama,

        dass tut mir sehr leid, dass auch dein Kind diese Flashbacks hat, aber vielleicht ist das auch der Beginn eines Verarbeitungsprozesses… Wer weiss – das hält mich immer wieder hoch, wenn ich am Boden zerstört bin 🙁

        Liebe Grüße
        Mother Birth

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert