Ich habe mich gerne dazu bereit erklärt, dass #Gastbeiträge zur #Blogparade: Each Woman is a Rose – Warum unsere Geburten so wichtig sind #rosrev von Nora Umlau auf meinem Blog veröffentlicht werden können. Damit biete ich allen Frauen, die entweder keinen eigenen Blog haben oder aber aus verschiedenen Beweggründen den Text anonym veröffentlichen möchten, bei mir eine Plattform. Und schon heute kam der erste Text von Stella, die gerne anonym bleiben möchte. Es ist ein sehr bewegender Text, der mich unter anderem deshalb zutiefst berührt hat, da ich das Gefühl kenne, wenn das CTG stumm bleibt…
*Achtung: Trigger-Warnung*
Gewalt in der Geburtshilfe, Fremdbestimmung, ignorieren des Bauchgefühls der gebärenden Frau, allein gelassen werden, Vorwürfe…
Mein Körpergefühl sagte mir zwar etwas anderes…
Dies sind Themen mit denen ich mich seit der Geburt meines ersten Kindes vor beinahe zehn Jahren auseinandersetze. Ich habe trotz allem hiernach noch weitere Kinder bekommen. Es sind drei (eigentlich vier) sehr unterschiedliche Geburtserfahrungen. Mein erstes Kind bekam ich vor fast zehn Jahren. Zunächst sah alles gut aus. Ich wurde am errechneten Entbindungstermin im Krankenhaus aufgenommen, da es beim CTG ein Intervall von 8 Minuten gab, bei dem die Herztöne des Kindes rapide abfielen, sich dann aber wieder stabilisierten. Am Morgen sollte die Entbindung eingeleitet werden. In dieser Nacht erwachte ich um 0:30 mit Wehen. Starke Wehen in sehr kurzem Abstand. Ich lief im Zimmer umher, immer an einer Uhr vorbei, der Abstand war kürzer als 5 Minuten. Ich ging zur Stationsschwester, die schickte mich die vier Etagen hinauf zum Kreissaal. Allein. Dort angekommen, sollte ich mich erstmal hinsetzen, bei Erstgebärenden dauert es ja immer bis es richtig losgeht. Ich versuchte mich zu setzen, es ging nicht. Die entnervte Hebamme schickte mich wieder hinunter in mein Bett. So lief ich unter Wehen wieder zur Wöchnerinnenstation, konnte mich aber nicht einmal auf das Bett setzen, ging dann also zwanzig Minuten später wieder hinauf. Die Hebamme kontrollierte den Muttermund, der war schon bei 6 cm, doch der Wehenschreiber zeigte kaum Wehen. Mein Körpergefühl sagte mir zwar etwas anderes, aber was wußte ich schon. Ich hielt mich selbst für wehleidig.
Keine Hebamme weit und breit
Die Hebamme liess mir ein Melissenbad ein und eilte zu einer der drei anderen Gebärenden, die mit mir im Kreissaal waren. Ich konnte sie gut hören. Und da stand ich mit Wehen in der Wanne und konnte mich einfach nicht hinsetzen. Mir wurde schlecht und ich stieg laut plätschernd aus der Wanne. Die Hebamme kam zurück und fragte warum ich nun schon wieder raus bin. Ich sagte ihr, ich kann mich nicht setzen und mein Magen dreht sich gleich um. Sie begleitete mich, so wie ich war noch immer splitterfasernackt, den Gang hinunter in einen der Geburtsräume. Dort meinte sie, wir warten noch drei Wehen ab und dann schaut sie mal den Muttermund an. Die Fruchtblase platze und wir beide rutschten fast aus. Aber ich veratmetet die drei Wehen im Stehen, die Hebamme stand hinter mir und dann sollte ich mich auf das Bett legen, rücklings und sie tastete, nur um schockiert zu sagen, dass ich nicht mehr aufstehen darf, der Kopf ist längst im Geburtskanal. So blieb ich auf dem Rücken nackig liegen und veratmete Wehe um Wehe, weil ich nicht pressen sollte. Ich hätte mich gern irgendwie anders legen, setzen, was auch immer wollen, aber ich tat was sie sagte. Dann schrie eine der anderen Frauen und die Hebamme war fort. Das Telefon lag neben dem Bett. Ich rief den Vater des Kindes zuhause an, dass es nun los geht, er wollte ja dabei sein. Meine Wehen wurden immer länger. Der Abstand dazwischen immer kürzer. Irgendwann kam der Kindsvater hinzu. Keine Hebamme weit und breit. Ich schrie nicht, dachte immerzu nur daran dass das Kind den Sauerstoff ja brauchte, kein Ton sagte ich. Der Kopf war immer wieder fast heraus und rutschte zurück.
Und plötzlich bleib das CTG still
Außer dem Mann war niemand bei mir, er hielt schweigend meine Hand. Mit jeder Wehe verschwanden die Herztöne beim angelegten CTG und kehrten hinterher zurück. Aber dann auf einmal blieb es still. Inzwischen waren vier Stunden vergangen. Es war kurz nach fünf Uhr morgens. Wo plötzlich die Hebamme herkam, konnte ich nicht sagen. Ich war im Schmerznebel gefangen und wurde mit jeder Wehe schwächer. Ich bekam das Kind nicht geboren, ich war vollkommen verzweifelt. Die Hebamme fand auch nach einigem Herumschieben keine Herztöne mehr, sie machte das CTG ab, verschwand wieder. Dann waren plötzlich zwei Ärzte mit im Raum, einer fragte, warum ich so leise bin. Dann fragte die Hebamme:
„Jetzt?!?“
Ich wusste nicht, was sie meinte, dann ein Schnitt, ein neuer Schmerz, brennend, ein Schnitt, Blut spritzte, der Vater des Kindes war entsetzt. Die Hebamme schob beide Hände in meinen Körper, sie entfernte die festgezogenen Nabelschnur im Geburtskanal zog sie vom Hals über das Köpfchen und griff das Kind am Kopf und zog, rief „Pressen!“ und die Ärzte linke und rechts von mir stemmten sich mit dem Fäusten und mit vollem Gewicht auf meinen Bauch. Das letzte was ich dann hörte, war:
„Das geht so nicht!!“
von dem Vater des Kindes. (Einige Tage später zuhause erzählte er mir, dass ich erst ganz blau, dann ganz weiß wurde, die Augen verdrehte und das Bewusstsein verlor. Ich gab keinen Ton von mir.) Ich erwachte allein. Blutend. Immernoch nackt. Und kalt. Ich wußte nicht ob mein Kind lebt. Ich wusste nichts.
Er zog mehrmals kräftig an der Nabelschnur – es tat sehr weh
Dann hörte ich eine Babystimme und hoffte es wäre meins. Einer der Ärzte kam herein und begann schweigend mich mit Tüchern abzudecken, viele Tücher. Er zog mehrmals kräftig an der Nabelschnur, damit die Plazenta geboren wird. Das tat sehr weh. Dann verschwand er wieder. Die Hebamme kam, sie drückte kräftig auf meinem Bauch herum, das tat auch sehr weh. Sie sagte, dass das Kind in Ordnung ist. Ich bat sie mir das Telefon zu geben, ich wollte der Oma sagen, dass das Enkelkind geboren ist. Die Hebamme zog auch an der Nabelschnur und endlich löst sich die Nachgeburt. Dann wurde ich genäht. Das dauerte lang und ich empfand es als sehr unangenehm. Dann endlich zeigte der Kindsvater mir das winzige blonde Bündel. Ganz blau war seine Haut und das weiß in seinen Augen komplett rot wegen der geplatzten Äderchen. Und trotzdem so wunderschön. Es ging wohl recht schnell, ihn wieder zu beleben, er atmete schnell allein und brauchte nur kurz zusätzliche Sauerstoffzufuhr. Was war passiert? Die Nabelschnur lag um seinen Hals, da sie abnorm kurz war, konnte er so nicht geboren werden und wurde durch die starken Wehen ganz langsam stranguliert.
Die Hebamme hat einen Schnitt gemacht, damit sie beide Hände in meinen Körper bekommt
Da ich nicht laut geschrien habe, sondern eine der wenigen Frauen bin, die unter Schmerzen absolut still werden, wurde die Not nicht erkannt. Die Hebamme hat einen Schnitt gemacht – für einen Notkaiserschnitt war das Kind zu weit im Geburtskanal – die Narbe ist heute knapp 10 cm lang, 2 cm breit, damit sie beide Hände in meinen Körper bekommt und die Nabelschnur über den Kopf ziehen und das Kind auf die Welt holen konnte. Bei diesem Schnitt wurde ein größeres Gefäß und ein Nerv durchtrennt. Dem Jungen rettete es aber das Leben. Die gesamte Geburt war ohne ein einziges Schmerzmittel vonstatten gegangen. Diese brauchte ich hinterher umso mehr…
Mein intimster Bereich blieb taub – für immer.
Ich wurde vier Tage darauf „mit subjektivem Wohlbefinden“ entlassen, wie es in dem Arztbrief hieß. Ein Schnitt wurde nirgendwo vermerkt. Nur der hohe Blutverlust und die Anämie – kann ja mal vorkommen – es war eine normale Spontangeburt… dieser verlogene Brief verletzte mich tief. Die Realität: ich habe komplett neu lernen müssen sauber zu werden. Mit 28 Jahren. Das war entsetzlich. Die Naht platze 2 Tage nach der Geburt auf und konnte wegen Risiko Abszessbildung nicht wieder genäht werden, das heißt, ich habe mit jedem ungewollten Urinverlust eine große Wunde gespült und viele Tränen vergossen vor Schmerz und Scham. Ich hab seither auf den Großteil des Beckenbodens keinen „Zugriff“ mehr, dieser bildete sich zunehmend zurück wurde immer schwächer. Und auch sonst blieb mein intimster Bereich taub. Für immer. Ich hätte ja schreien können, es ist ja meine Schuld, dass ich das nicht getan habe, hieß es.
Eine Fehlgeburt
Drei Jahre später wurde ich wieder schwanger. Aus dem kleinen Schreikind mit den Blockaden war ein eher ernstes, stilles, etwas kränkliches Kind geworden. Und fühlte mich oft sehr schwach, hatte sehr mit dem Kreislauf zu kämpfen in dieser zweiten Schwangerschaft. Dann waren vier Wochen seit der Feststellung um und die zweite Kontrolle in der Frühschwangerschaft stand an. Kein Herzschlag. Mein Kind war tot. In der zehnten Woche muss es wohl gestorben sein. Meine Kreislaufschwierigkeiten hingen damit zusammen. Meine Welt rieß förmlich entzwei. Ich habe mich so sehr auf dieses Kind gefreut. Man nennt das eine verhaltene Fehlgeburt (Missed Abort). Ich bekam einen Termin in einer Kinderwunschpraxis!!! Wie kann man sowas nur machen? Ich verstehe das bis heute nicht. Dort wurde der Eingriff vorgenommen, der mich noch viel mehr aus der Bahn warf, als der Verlust an sich. Es gab niemand, der einem ein tröstendes Wort sagte, ich wurde behandelt, als hätte ich abgetrieben. Das hat so unbeschreiblich weh getan und eine sehr tiefe Wunde hinterlassen. Ich hatte hiernach noch vier Wochen so etwas wie eine Scheinschwangerschaft, meine Gebärmutter entzündete sich und es stand im Raum, dass sie sogar entfernt werden müsste. Eine entsetzliche Zeit. Und zuhause der Kleine, der nicht verstand, warum Mama soviel weint. Der Vater des Kindes hatte etwas mit einer anderen Frau. Genau in dieser Zeit. Für mich da war er nicht. Aber da war ein anderer Mann, ein guter Freund bis dahin, der kümmerte sich um den Kleinen und der fragte auch oft, wie es mir geht. Wo er helfen konnte, da half er.
Diese Geburt machte für mich viel wieder gut
Einige Monate später trennte ich mich entgültig und kam mit diesem neuen Mann zusammen, der meinen Sohn annahm, als wäre es sein eigener und mich so liebte wie ich war. Er wußte auch ich wünschte mir ein weiteres Kind. Und so kam es tatsächlich, dass ich ein Jahr darauf wieder Mutter wurde. Nach einer Schwangerschaft voll Angst, dass das Kind in meinem Bauch nicht mehr leben könnte, brachte ich einen weiteren gesunden Jungen zur Welt. In einem anderen Krankenhaus als den ersten. Meine Wehen haben wieder so plötzlich und stürmisch begonnen. Zuhause diesmal, wieder um halb eins nachts. Ich weckte meinen Mann und wir gingen zum Auto und fuhren mit 90 Sachen zum Krankenhaus. Er musste einen Parkplatz suchen und ich hatte sechs groß Wehen auf den knapp 20m bis zur Kreissaaltür und dachte, ich werde das Kind dort draussen bekommen. Aber ich schaffte es noch. Und auch mein Mann war rechtzeitig bei mir. Die Hebamme empfing mich freundlich und begleitete mich in den ersten Geburtsraum, ich sollte mich unten herum frei machen und auf die Seite legen. Das konnte ich nicht. Aber sie hinderte mich nicht, mich in den Vierfüßer zu begeben und dann ging alles ganz schnell. Zwei Presswehen später war er dann da. 107 Minuten seit der ersten Wehe zuhause. Diese Geburt machte für mich viel wieder gut, was mich vorher belastet und begleitet hat. Ich fühlte mich innig verbunden mit diesem Kind, ganz anders als bei dem ersten Sohn.
Mein Beckenboden gab komplett nach…
Aber wenige Wochen nach dieser Geburt holten mich die späten Folgen der ersten Geburt ein. Mein Beckenboden gab komplett nach. Mir rutschten die Gebärmutter, die Blase, ein Teile des Darms einfach raus aus dem Körper. Kein Beckenbodentrainig der Welt konnte da noch helfen. Dieses Trainig mache ich seit der ersten Geburt regelmässig, aber wie gesagt mit mässigem Erfolg, da ja ein Ganzteil des Beckenbodens nicht mit trainiert wurde, da ich durch den verletzten Nerv nicht zugreifen kann. Dass ich mich vor mir selbst geekelt habe, muss ich wohl nicht extra sagen. Dass es so etwas überhaupt gibt, wusste ich nicht einmal bis dahin. Ich bekam eine große Unterleibsoperation (gebärmuttererhaltend!!), da wir so gern noch ein drittes Kind wollten.
Diesmal ist alles anders – fürsorglich, verständig und herzlich
Es muss viel Gewalt im Spiel gewesen sein, um solchen Schaden anzurichten, sagten die Ärztin dort. Bei einer so jungen Frau hatten sie das noch nie so massiv gesehen. Ein Netz und elastische Bänder wurden eingesetzt. Diese unterstützen von nun an den geschwächten Beckenboden. Und wirklich bekamen wir drei Jahre später unser drittes und letztes Kind. Eine natürliche Geburt war eher unwahrscheinlich, es wurde ein geplanter Kaiserschnitt forciert, um die Beckenbodenplastik zu erhalten, die bei einer natürlichen Geburt höchtstwahrscheinlich zerstört werden würde. Doch es kam anders. Ich entwickelte im achten Monat ein HELLP-Syndrom mit Leber-und Nierenversagen und dann musste alles ganz schnell gehen. Ich wurde in den OP gefahren und hatte furchtbare Angst vor dem Kaiserschnitt. Ich war sehr erschöpft, immerhin hatte sich die Problematik über acht Tage unter ärztlicher Beobachtung aufgebaut und mich sehr geschwächt. Meine Mutter und mein Mann kamen gerade rechtzeitig, als ich die PDA bekam. Der Anästesist scherzte ein wenig, um mir die Spannung zu nehmen, die Hebamme erkannte meine Angst und nahm mich in den Arm und hat mich gestreichelt und der Arzt der den Schnitt vornahm sagte auch, dass ich das ganz wunderbar mache. Hier war alles anders. Hier waren von A-Z alle unglaublich fürsorglich und verständig. In dieser Nacht erholte ich mich und konnte meine Tochter von Anfang an bei mir haben und versorgen. Nach dieser Kaiserschnittgeburt erholte ich mich schneller, als von den natürlichen Geburten zuvor. Auch auf der Wöchnerinnenstation wurde ich ernst genommen – respektvoll und freundlich waren alle dort. Dafür bin ich bis heute dankbar, denn diese positiv Geburtserfahrung zum Schluß hat mich innerlich mit manchem versöhnt, was ich zuvor erlebt habe. Obwohl ich bis heute nicht mehr das Krankenhausgelände betreten kann, in dem mein erstes Kind zur Welt gekommen war.
Ich habe meinen Frieden gemacht
Drei Geburten (und eine Fehlgeburt) und so grundverschiedene Erfahrungen. Einiges traumatisierend und nur mühselig in Therapien zu bewältigen. Und einiges eine Wiedergutmachung des vorher Geschehenen… Es gibt Gewalt – seelische und auch körperliche – in der Geburtsbegleitung. Aber nicht immer und nicht überall. Und manchmal erfährt man gerade dort, wo man es am wenigsten erwartet, den Respekt, die Fürsorge und das Verständnis, welches man unter einer – ganz egal wie gearteten – Geburt eigentlich immer erfahren sollte. Ich bin stolz auf meine drei Kinder. Das ist es vor allen Dingen, was für mich heute zählt. Ich habe meinen Frieden gemacht mit den Geschehnissen und kann heute ohne Tränen darüber sprechen.
Ich danke dir, liebe Stella, für deinen bewegenden, ehrlichen Bericht. Man merkt, was für eine starke Frau du bist. Ich bewundere deinen Mut und deine Zuversicht. Danke, dass du deine Erfahrungen teilst.
*EURE MOTHER BIRTH*
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Darf ich euch beide umarmen und dort einfach ein wenig Trost und Halt schenken, für Momente in denen ihr das braucht?!
Für mich wäre es ein schöner Gedanke❤