„Wie wir unsere Kinder gebären und ins Leben begleiten entscheidet darüber, in welcher Welt wir leben.“ – Ein Interview mit Isabel von Mamapsychologie

Manchmal gibt es so „Internetfunde“ – Dinge, die in die eigene Timeline gespült werden und nicht nur nervig sind, sondern einen einfach begeistern. Vom ersten Moment an fesseln. Wenn man nicht aufhören kann zu lesen. Immer wieder zustimmend nicken muss vor dem Laptop. So erging es mir, als ich durch Zufall auf die Seite Mamapsychologie von Isabel Huttarsch gestoßen bin. Da wusste ich sofort:

Diesen Menschen und seine wundervolle Arbeit, möchte ich euch unbedingt näher bringen!

Also schnell eine E-Mail geschrieben, eine Interviewanfrage gestellt und sofort eine Zusage erhalten. Das freut mich sehr <3

Viel Spaß beim Lesen!

Erzähl bitte kurz wer du bist.

Ich bin Isabel, Psychologin (M.Sc.), werde in Kürze 28 Jahre alt und lebe im wunderschönen Dresden. Durch das Psychologiestudium mit dem Schwerpunkt Klinische Psychologie und Psychotherapie, hat es mich, mit meinem Partner im Schlepptau, 2010 aus Oberfranken hierher verschlagen. Heute gehen wir gemeinsam mit unseren beiden Kindern (*2014 & *2017) an der Hand durch das Leben.

Seit meinem Studienabschluss bin ich hier in Dresden als Mamapsychologin unterwegs. Dabei lassen sich meine Arbeitsschwerpunkte mit meinem Slogan „Mama werden – Mama sein“ ganz gut zusammen fassen. Ich helfe Frauen bei der mentalen Vorbereitung auf ihre Geburt, begleite Sie bei der Verarbeitung traumatischer Geburtserfahrungen und unterstütze sie bei den Herausforderungen, die ihnen der Mama-Alltag so bietet.

Wie kam es dazu, dass du dich auf die Begleitung und Unterstützung von Müttern vor und nach Geburten spezialisiert hast?

Das hat tatsächlich sehr viel mit mir selbst und meinen eigenen Erfahrungen als Frau, Mama und Mensch zu tun.
Geburt hat mich, seit ich denken kann, unheimlich fasziniert.
Als ich im Rahmen meines Studiums die Möglichkeit erhielt, an einer klinischen Studie zum Einfluss des psychischen und körperlichen Befindens werdender Mütter auf Schwangerschaft, Geburt und frühkindliche Entwicklung zu forschen, war es um mich geschehen. Ich wusste: Das sind die Themen, denen ich mich nicht nur privat, sondern auch als Psychologin verschreiben möchte.

Mein Sohn wurde noch während meines Studiums, nach einer für mich aufreibenden Kinderwunschzeit, in der 36. Schwangerschaftswoche, entgegen aller Voraussagen des Krankenhauspersonals, natürlich und “komplikationslos” geboren. Meine Tochter (*2017) gebar ich nach einer überraschend kurzen Eröffnungsphase im Beisein meiner Hebamme im heimischen Wohnzimmer. Beide Geburten erlebte ich als selbstbestimmt, sanft & kraftvoll zugleich und frei von behindernden Ängsten. Und ich spürte, was ich bislang nur aus der Theorie wusste:

Es ist nicht egal, wie wir gebären und geboren werden.

Zwischen den Geburten meiner beiden Kindern verlor ich ein Kind durch eine Eileiterschwangerschaft. Das Er- und Überleben dieser Erfahrung berührt mich bis heute tief. Als Mama. Als Frau. Als Psychologin. Einmal mehr wurde mein Fokus korrigiert. Weg vom Rauschen des Alltags. Hin zum Wesentlichen.

Im Alltag mit meiner Familie entsprechen Bindungs- und Bedürfnisorientierung meiner grundsätzlichen Haltung. Vor diesem Hintergrund wurde Mamapsychologie geboren.

Wie sieht deine Arbeit konkret aus?

Ich berate und begleite als Psychologin (M.Sc.) Frauen zu vielfältigen Themen des Mamawerdens und Mamaseins. Das kann in Form von Einzelsitzungen passieren, die ein sehr intensives, gemeinsames Arbeiten ermöglichen. Daneben biete ich verschiedene Workshops und Kurse zur mentalen Geburtsvorbereitung und zur Verarbeitung traumatischer Geburten an. Sowohl die Einzelbegleitung, als auch die Kurse, finden hier vor Ort in Dresden und ortsunabhängig in einen geschützten Online-Raum „bei den Frauen zu Hause“ statt. Einen kleinerer Teil meiner Arbeit besteht in der Fortbildung von Personal, das in der Schwangerenbetreuung und Geburtshilfe tätig ist.

Isabel von Mamapsychologie

Welche Frauen suchen bei dir Hilfe?

Die allermeisten Frauen, die ich hier in Dresden begleite, werden durch ihre Hebamme oder ihren Frauenarzt/ihre Frauenärztin auf meine Arbeit aufmerksam. Die Frauen aus der Online-Welt kontaktieren mich größtenteils über mein Instagram-Profil (@mamapsychologie), auf dem ich Beiträge rund ums Mamawerden und Mamasein verfasse.

Die Fragestellungen, mit denen die Frauen an mich heran treten, sind ganz unterschiedlicher Natur.
Bei der mentalen Geburtsvorbereitung sind es Erst- und Mehrgebärende Frauen, die sich auf ihre selbstbestimmte Geburt vorbereiten möchten. Manche tun dies aus einer positiven Motivation heraus, beispielsweise weil sie sich wünschen, in tiefen Kontakt zu ihrem ungeborenen Kind zu treten. Nicht selten sind es aber auch Frauen, die bereits eine oder mehrere traumatische Geburtserfahrungen gemacht haben und nun, in ihrer erneuten Schwangerschaft, große Angst davor haben, dass sich das Erlebte wiederholt. Auch die Gruppe der Frauen, die mit meiner Begleitung ihr Geburtstrauma verarbeiten möchte, ist bunt gemischt. In meinem Intensiv-Kurs Geburtstrauma finden sich sowohl Frauen, deren traumatische Geburt bereits zehn Jahre zurück liegt, als auch Frauen, die noch mit einem Bein im Wochenbett stecken.

In der Begleitung von Mamas mit ihren Kindern sind es mal weitreichende, mal ganz eng umgrenzte, alltagsnahe Fragestellungen, mit denen ich es zu tun habe. Von der Mama, die sehr gerne bedürfnisorientiert Leben möchte, und nicht weiss, wo sie damit anfangen soll bis zur Mama, deren Kind das Zähneputzen verweigert.

Was ist dir wichtig an deiner Arbeit? Ist es ein Herzensprojekt?

Bei meiner Arbeit ist es mir besonders wichtig, „meinen“ Frauen auf Augenhöhe zu begegnen, sie in all dem zu sehen, was sie sind und dies als wertvolle Möglichkeit zu begreifen und nicht als Hindernis. Unser Denken, Fühlen und Handeln ist immer das Ergebnis dessen, wer wir eigentlich sind und dessen, was wir bislang erlebt haben. Mir steht es nicht zu, über Menschen zu urteilen. Ich arbeite mit den Frauen und nicht gegen sie. Die unweigerliche Grundlage dafür ist gegenseitiges Vertrauen. Und es bedeutet mir viel, dass mir dieses Vertrauen bei meiner täglich Arbeit entgegengebracht wird.
Mit Mamapsychologie bin ich tatsächlich an einem Punkt angekommen, an dem ich vollen Herzens sagen kann, dass mein Beruf gleichermaßen meiner Berufung entspricht. Ich wünsche mir, dass alle Frauen die Möglichkeit erhalten, in der so sensiblen Phase des Mamawerdens und Mamaseins begleitet zu werden, insofern sie den Wunsch dazu verspüren.

Der Ursprung unserer Gesellschaft liegt nämlich genau hier: im Mutterleib. Die Art und Weise, wie wir in unserer Gesellschaft mit Frauen und ihren Kindern während der Schwangerschaft, der Geburt und innerhalb der Familie umgehen, ist zukunftsweisend für das, was uns als Gesellschaft erwartet. Denn es prägt das, was wir als Gesellschaft sein werden.

Dabei motiviert mich bei meiner täglichen Arbeit vor allem die Vorstellung einer Welt, in der wir alle in Liebe empfangen, sanft und selbstbestimmt geboren und achtsam ins Leben begleitet wurden.

Wäre das nicht wundervoll?

Was ist deine Motivation gewesen, deine Hilfe online anzubieten? Wie ist die Resonanz?

Die Motivation dazu, meine Unterstützung auch Online anzubieten, ist aus der unfassbaren Not vieler Frauen heraus geboren, in ihrem unmittelbaren Umfeld keinerlei Unterstützungsangebote vorzufinden. In meinen Augen kann und darf es nicht sein, dass (werdende) Mamas mit ihren Ängsten, Nöten und Sorgen alleine gelassen werden.

Ich sehe es, gerade auch im Hinblick auf das Thema Prävention psychischer Störungen, als unabdingbar an, genau diesen Frauen und ihren Anliegen einen achtsamen Raum zu schaffen. Dabei geht es nicht nur um das Lösen von Problemen, sondern vor allem auch um Wertschätzung dessen, was Schwangere, Gebärende und Mamas leisten. Und daran mangelt es heute mehr als je zuvor.

Ich alleine werde das in vielen Punkten sehr abwertende System, mit denen sich Schwangere, Gebärende und „Bemutternde“ häufig konfrontiert sehen, nicht revolutionieren können. Aber ich kann meinen Teil dazu beitragen, dass sie die Unterstützung erhalten, die sie brauchen, um in ihrer Rolle als (werdende) Mama ein wohliges Zuhause zu finden.

Die Resonanz auf mein Onlineangebot ist schlichtweg überwältigend. Aus meiner Vor-Ort-Tätigkeit als Mamapsychologin war ich mir darüber im Klaren, dass es viele Frauen gibt, die sich insbesondere in den Bereichen Geburtsvor- und Nachbereitung fachkundige Unterstützung an ihre Seite wünschen. Aber mit diesem Ausmaß habe ich tatsächlich nicht gerechnet.
Gerade seit meiner Aktivität auf Instagram erreichen mich täglich etwa fünfzig Nachrichten mit der Bitte um Hilfe. Davon möchte nicht jede Mama ein umfassendes Coachingangebot in Anspruch nehmen. Aber dennoch spiegelt es den hohen Leidensdruck wider, den so viele (werdende) Mamas verspüren.


Vielen Dank liebe Isabel, dass du mir dieses Interview gegeben hast. Ich hoffe, dass du noch vielen Menschen mit deiner Arbeit helfen kannst. Sie ist so, so wichtig!

 

*EURE MOTHER BIRTH*

 

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