Verschwunden

Es verschwinden immer mehr Geburtshilfestationen – gerade bei kleineren Kliniken – und ebenso Geburtshäuser von der deutschen Landkarte. Getilgt. Für immer weiße Flecken – blinde Flecken, da sie langsam drohen in Vergessenheit zu geraten – aus dem allgemeinen Bewusstsein gelöscht zu werden. Aber was ist mit den Erinnerungen der Mütter, die dort ihre Kinder zu Welt gebracht haben? Die bestehen weiter, aber haben ihren Ortsbezug – ihre Heimat – verloren. Ich bin so eine Mutter, deren Geburtserlebnis heimatlos geworden ist.

Geburtshaus Kiel – mein „heiliger“ Ort

Als ich BusyBee im August 2014 im Geburtshaus Kiel das Leben schenkte, wusste ich schon, dass ab Dezember die Lichter dieses Geburtshauses für immer ausgehen würden. Damals stand das Glück, dass ich dort noch gebären konnte im Vorhergrund, so dass ich den Gedanken an die baldig drohende Schließung schlichtweg verdrängte. Dies funktionierte bis zur Geburt von BusyBee. Diese war dann so emotional überwältigend, so schön und so außergewöhnlich (schmerzfrei und lustvoll – aber dazu mehr in einem eigenen Beitrag 🙂 ), dass sie für mich etwas „Heiliges“, „Schöpferisches“ oder „Magisches“ hatte – nicht ganz von dieser Welt. Der Ort allein machte das Erlebte für mich manchmal erst real – unfassbar. Ein Anker in meiner Erinnerung. Ich kann es leider nicht in bessere Worte fassen (ich hoffe ihr versteht trotzdem, was ich versuche zu beschreiben), aber der ORT dieser Geburt wurde für mich – aber auch für den Herzensmann – etwas ganz Besonderes. Mich drängte es förmlich immer wieder dorthin zurück, wie eine Pilgerin an einen heiligen Ort – meinen heiligen Ort.  Aber heute kann ich nicht mehr zurückkehren, er ist weg. Verschwunden von der geburtshilflichen Landkarte. Mir entzogen – entrissen worden. Es ist mir etwas sehr Elementares genommen worden, dass mir niemand wieder geben kann. Ich würde so gerne noch einmal die Treppen zum Geburtszimmer hinuntersteigen, noch einmal über den Stoff des Gebärbettes streichen, noch ein einziges Mal in diesem Raum sein und in meinen Erinnerungen schwelgen können, ein weiteres Kind hier gebären dürfen – in diese wunderbaren Erinnerungen hinein, in diese Stimmung, in diese magische Energie … Alles Tagträume, die nie in Erfüllung gehen werden! Tränen laufen mir bei diesen Zeilen über die Wangen. Ich vermisse diesen Ort – so sehr…

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Mein verschwundener Ort – das einzige was mir blieb…

Der letzte Besuch

Mein letzter Besuch an diesem besonderen Ort war am 5.12.1014 – ein trauriger Tag. Wir waren zur Verabschiedung dort, wie viele andere auch. Es war voll – sehr voll. Der Herzensmann hat noch ein Foto gemacht – ein Ausschnitt – blaß und fahl. Der letzte konkrete Beweis für die Existenz meines magischen Ortes. Nun ist er verschwunden – für immer. Umgebaut, verändert – nur bewahrt in meinem Herzen – in meiner Seele. In meinen Erzählungen und Geschichten lebt er weiter, aber trotzdem vermisse ich ihn, diesem Ort. Den Geburtsort von BusyBee und irgendwie auch meiner, als Mutter – Mother Birth. Ich habe mir dieses Foto immer wieder angeschaut, es konnte aber meine Trauer über den Verlust nicht wirklich dämpfen. Ich sehne mich danach, wieder dort hin gehen zu können.

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Mein persönliches Relikt, welches ich vor dem Vergessen retten konnte

Ein Relikt

Im Geburtshaus hing ein Bild, welches eine besondere Bedeutung für mich und den Herzensmann hatte und hat. Es ist für uns Ausdruck unser veränderten inneren Einstellung zur Geburt und ihrer Natürlichkeitzur Selbstverständlichkeit des Natürlichen und seiner Annahme. Das Bild hat uns in der schwierigen Phase der eigenen Entscheidungsfindung immer begleitet und irgendwie den Rücken gestärkt – uns bestärkt auf dem richtigen Weg zu sein. Nun hängt es in unserem Treppenaufgang. Unser persönliches Relikt, dass die Schließung des Geburtshauses in Kiel überdauert hat. Das nicht verschwunden ist; das ich vor dem Vergessen gerettet habe. Mein herzlichstes Dankeschön geht an die liebe Renate, die mir meinen Wunsch nach diesem Bild erfüllt hat: DANKE!!!! Jedes mal wenn ich morgens die Treppe hinuntergehe, sehe ich dieses wunderbare Bild und erinnere mich an den besten Moment meines Lebens. Ich schöpfe Kraft aus diesem lebensverändernden Moment – dieser Geburt. Sie ist eine Quelle positiver Energie für mich. Jeden Morgen tanke ich auf – mit einem lächelnden Blick auf das Relikt 😉 …

Ein Ort, der mir nicht genommen werden kann: mein Haus

Das dritte Kind wird zu Hause zur Welt kommen. Da sind wir uns einig. Unter der positiven Energie, die dieses Bild ausstrahlt und an einem Ort, den mir niemand wieder nehmen kann, wenn ich es nicht will! Ich kann ihn immer und jeder Zeit „besuchen“, denn ich wohne in ihm – mein Haus 😉

*EURE MOTHERBIRTH*

#Geburtshaus #Kiel #Schließung #Erinnerung #Trauer #Geburt #Geburtsort 

4 Gedanken zu „Verschwunden

  1. Pingback: EXTRAversion – Wunder erleben | motherbirthblog

  2. kiwimamasblog Antworten

    Oh wie schade! Gerade wenn die erste Geburtserfahrung schwierig war kann ich mir vorstellen, dass der Ort einer zweiten, scheinbar sehr sehr schönen Geburt etwas ganz Besonderes an sich hat. „Magisch“, wie du schreibst, ist da glaub ich sehr passend. Aber toll und umso wichtiger, dass ihr euer Andenken noch retten konntet (und daran gedacht habt) 🙂

    • motherbirthblog Autor des BeitragsAntworten

      Das stimmt total. Der Ort war auch so besonders, da er auch alle Kraft, Mühe und Liebe, die ich in die „Vorbereitung“ der zweiten Geburt investiert habe, symbolisiert hat.
      Ich wünsche dir von Herzen, dass du auch mal einen so besonderen Ort haben wirst.

      Liebe Grüße
      Mother Birth

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