Dieser #Gastbeitrag stammt von der reichlich twitternden Tanja Tollpatsch 🙂 Sie schreibt über ihre Erfahrungen mit dem Kaiserschnitt. Ihr Bericht zeigt deutlich, was Frauen in dieser Situation gut tun würde: Verständnis, Zusprache und natürlich Zeit. Man braucht Zeit, um ihnen die Angst zu nehmen, man braucht Zeit, um ihnen zu erklären, was passieren wird, man braucht Zeit, um eine gute Geburtshilfe gewährleisten zu können. Leider wird daran heute immer weiter gespart. Bedauerlich…
Am besten Sie fahren nun ins Krankenhaus…
„Am besten Sie fahren nun ins Krankenhaus, ich empfinde das Fruchtwasser als etwas zu wenig. Da Sie auch keinerlei Wehentätigkeit haben, sollen die mal mit den neueren Geräten schauen, ob es dem jungen Mann gut geht und er noch genug Wasser und Platz hat. Schließlich ist er ja groß und schwer.“
sagte die Frauenärztin und erklärte dem Ehemann und mir noch ein paar Einzelheiten. Toll das hat mir gerade noch gefehlt! Ich will nicht ins Krankenhaus und eine Einleitung will ich schon 3x nicht haben – bin der Meinung, dass der Sohn sich auf den Weg macht, wenn ER soweit ist und nicht weil Datum X erreicht ist.
Ich rufe mal eben im OP an…
Also erstmal nach Hause, meinen Eltern Bescheid gesagt und ab zum KH. Dort angekommen, wurde ich auf den Kopf gestellt, um anschließend zu erfahren:
„Sie lassen wir heute nicht mehr nach Hause! Ihr Kind ist sehr schwer und groß. Eine Geburt auf natürlichen Weg könnte dem Kind einen Schaden zufügen oder Ihnen. Das Risiko, dass Sie heute Nacht hier mit Wehen stehen und es irgendwann nicht mehr weiter geht ist sehr hoch und dass werde ich nicht verantworten. Ich besorge Ihnen nun ein Bett und Sie werden ihr Kind heute bekommen, ich rufe mal eben im OP an!“
Öh watt?! Moment mal, WAS?!?!!
Der beste Mann von allen, mein absoluter Ruhepunkt – mein Fels in der Brandung – schaut mich unsicher an. Woahhr geht gar nicht und ich bekomme Angst und Panik steigt auf. Nee Leute, nix Kaiserschnitt und nix heute. Sohn ist nicht bereit!
Sie werden dazwischen geschoben…
Die Hebamme Nr. 1 an diesem Tag erklärte mir, dass alles voll ist und ich im Vorraum von irgendwas noch einmal ans CTG muß. Super, das letzte ist nicht einmal 30 Minuten her und ich will nicht mehr liegen! Laune schon kurz vorm Explodieren… CTG zeigt wie immer nix an und ich werde auf die Station verfrachtet mit dem Hinweis:
„OP weiß Bescheid, bleiben Sie in der Nähe, Sie werden dazwischen geschoben. Ach ja, essen und trinken Sie bitte nichts mehr.“
HALLO?! Draußen sind über 35 Grad und ich hatte seitdem sehr frühen Morgen nichts mehr zu Essen gehabt. Und das fördert meine, ohnehin schon schlechte, Laune nicht. Zumal auch irgendwann das Krankenhaus-Essen lecker riecht – so weit ist es also schon gekommen… Hebamme Nr. 2 kam, um sich vorzustellen (Schichtwechsel) und erlaubt mir wenigstens das Trinken.
Ich fühlte mich überrollt – überfahren
Zwischendurch bin ich immer mal mit dem Mann raus, da war die Luft um Welten weniger stickig und drückend. Draußen bekam ich dann einen Rappel und wollte mich schon selber entlassen. Ich fühlte mich überrollt, überfahren und es ging mir alles viel zu schnell! Ich war nicht bereit um Mama zu werden. Das geht mir alles viel zu schnell und wir sollten den Plan doch nochmal überdenken, ohne Kind war unser Leben doch auch schön – mein Mann meinte nur: „Dafür ist es nun zu spät!“ Hmpf! Manchmal hasse ich mein Mann, dafür dass er Recht hat und mich nicht einfach rotieren lässt.
Endlich nimmt sich jemand Zeit für uns
Mittlerweile bringt man mir mein Abendessen. Und nimmt es mir wieder weg! Man fragt lieber noch einmal nach, ob die OP heute noch klappt. Klappt, nur wann weiß man nicht, ist ein Notfall aus einem anderen KH reingekommen. Ich bin echt sauer und will gar nix mehr, nur noch nach Hause! Nach dem Schichtwechsel stellt sich dann Hebamme Nr.3 vor und eine Kinderkrankenschwester ist auch dabei. Überraschung! Es gibt mal wieder ein CTG. Vorhersehbare Stille auf den Wehenschreiber. Beide sind super lieb zu uns und fangen an Dinge ausführlich zu erklären und nehmen sich Zeit. Zeit die sie eigentlich nicht haben, da auf Station der Papst im Kettenhemd boxt. (So viele Frauen auf Station das aus 2 Bett Zimmer schon 4 Bett Zimmer gemacht wurden!)
Der Mann muss draußen bleiben…
Und dann geht’s auf einmal Zack Zack und ich werde für den Kaiserschnitt vorbereitet.
Bei der Nachricht, dass der Mann im Kreißsaal warten muß und nicht mit in den OP darf, werde ich wieder sauer und würde am liebsten heulen. Aber nun gut, ist nicht änderbar und so kann er dann unsere Eltern anrufen und zum Millionsten Mal den Status durchgeben.
Der erste Schrei <3
Die Hebamme ist wirklich lieb und erklärt mir alles, stellt mir das OP Team vor und erklärt mir dann Schritt für Schritt den Ablauf und auch was passiert, wenn der Sohn aus meinem Bauch ist. Mittlerweile habe ich gute Laune! Ich sehe in wenigen Minuten meinen Sohn! Endlich kommt er da raus und ich habe meinen Körper wieder für mich – zumindest unterhalb der Haut. Ich scherze mit den Ärzten und der Narkose-Doc erzählt mir, was passiert. Meine Hebamme steht in Sichtweite und ich fühle mich wohl. Kann losgehen Jungs! Der Narkose-Doc stellt mir eine Frage, und während ich antworte macht er:
„Psst, hören Sie“
Und da ist er! Der erste Schrei von meinem Sohn!!! Laut und deutlich. Kurz beschwert er sich über das Geweckteren. Die Hebamme hält ihn mir hin und ich kann ihn nicht berühren, weil ich so liege als sei ich ans Kreuz genagelt! Maaa so war das nicht geplant ey! Also drückt sie ihn mir kurzerhand ans Gesicht und ich kann ihm den ersten Kuss seines Lebens aufdrücken. Sie bringt ihn nun zu Papa und ich weiß, dass er gut aufpassen wird und unseren Sohn knuddelt. Während dessen werde ich zu gemacht und scherze weiter mit den Team, die Herren haben gleich (endlich!) Feierabend und dürfen nach einem langen Tag endlich Heim.
Und plötzlich Außen-Mama
Irgendwie ist mir zwar bewusst, dass ich nun auch Außen-Mama bin, aber so wirklich realisiert hab ich das noch nicht. Bald holt mich die Hebamme ab und bringt mich zu meinen Männern. Männern! Plural,ich habe nun zwei davon.Den Ehemann und den Sohn – woooaaarrr was für ein Gefühl. Unterwegs erzählt sie mir noch, dass mein Schwager sich reingeschlichen hat – typisch für ihn und ich freue mich. Ich bekomme mein Baby auf die Brust und schaue ihn einfach nur an und an und an und an…
Er macht auch die Augen auf und schaut zurück, weint nicht, knatscht nicht, ganz lieb. Er scheint sich mich genau so einzuprägen, wie ich ihn mir. Und dann muss ich schlucken, denn weinen will ich eigentlich nicht.
Die erste Nacht
Nach einiger Zeit im Kreißsaal werden wir ins Zimmer umgesiedelt. Da der Mann total fertig ist, schicke ich ihn Heim. Ein Familienzimmer gibt es leider nicht wegen der Überfüllung. So muss der Sohn leider in der ersten Nacht ins Kinderzimmer, ich kann mich beim besten Willen nicht um ihn kümmern. So liege ich dann nach diesem Hammertag allein im Bett:
Bauch weg, Sohn weg und Mann weg!
Ich weine…
Und wie war es bei euch? Hatte ihr auch einen mehr oder minder ungeplanten Kaiserschnitt gehabt? Habt ihr euch gut betreut und verstanden gefühlt? Hatte man genügend Zeit für euch oder aber hattet ihr das Gefühl allein gelassen zu werden – ohne Beistand, ohne Erklärungen. Ich bin gespannt wie es euch ergangen ist.
*EURE MOTHER BIRTH*
#Angst #Baby #Gastbeitrag #Hebamme #Kaiserschnitt #Sectio #Krankenhaus #Mama #OP #Zeit
Liebe Cao,
wenn ich das mal so sagen darf:
ich glaube du hattest eine selbstbestimmte Geburt – nur eben nicht in dem gewünschten Geburtsmodus… 😉 Denn auch ein KS kann selbstbestimmt verlaufen (so gut es eben geht). Und ich denke, bei euch war es schon sehr nahe dran <3
Ein Positiv-Beispiel für mich!
Trotzdem verstehe ich deine Enttäuschung, dass aus der erträumten Hausgeburt nicht geworden ist. Das ist absolut verständlich. Ihr hat das beste aus der Situation gemacht <3
Liebe Grüße
Mother Birth
Toller Text. Ich hatte auch eine Notsectio , noch dazu 12 Wochen vor dem ET. Ohne wären wir vermutlich beide nicht mehr hier. Aber (vermutlich aufgrund der Situation) kann ich mich nicht beschweren. Trotz wenig Zeit, haben sich die Hebammen immer sehr ,sehr liebevoll um mich gekümmert. Zum Glück. Ich war ja völlig überfordert mit der Situation. Heute geht es uns gut zum Glück! Liebe Grüße Jani
Liebe Jani,
eine liebevolle und einfühlsame Begleitung der werdenden Mama in solch einer Ausnahmesituation ist unglaublich hilfreich. Schön, dass deine Hebammen trotz Zeitmangel dies umgesetzt haben. Leider ist das keine Selbstverständlichkeit.
Liebe Grüße
Mother Birth
Liebe Christin,
es tut mir sehr leid, dass deine Kaiserschnitte für dich so traumatisch verlaufen sind. Ich hätte es dir anders gewünscht. Leider wird in den Krankenhäusern immer noch viel zu wenig darauf geachtet, wie man mit den Mama umgeht – Stichwort: Empathie.
Auch ein Bemühen zum Bonding – auch oder gerade – beim KS wäre so wünschenswert und wichtig. Ich hoffe inständig, dass sich in der Geburtshilfe dahingehend was tun wird.
Liebe Grüße
Mother Birth
Ich lese derzeit sehr viel über den Kaiserschnitt. Bin ich ja selber so auf die Welt gekommen. 🙂 Und eine gute Freundin hat in wenigen Tagen einen geplanten Schnitt.
Ein toller Text für den ich sehr dankbar bin.
Aber sagt, ist das grundsätzlich so, dass die Partner nicht mit rein dürfen bei einem Kaiserschnitt? Meine das schon anders gehört zu haben.
Sonnige Grüße.
Bei der Kreissaalführung damals wurde uns erklärt, dass bei einer Notsectio der Mann IMMER draußen bleiben müsste…. Ende vom Lied: mein Mann war doch dabei, trotz Not-KS, weil ich es als Bedingung gestellt habe für meine Unterschrift unter die OP-Aufklärung.
Ich weiß bis heute nicht mehr, wie ich in dieser Situation noch die Nerven dafür hatte, aber ich denke, die haben mich zuvor so klein gekriegt gehabt, dass ein urtümlicher Verteidigungsmechanismus in Gang gesetzt wurde…
Liebe Grüße
Mother Birth
Oh je, du arme hast wirklich lang durchhalten müssen, aber leider ist das nicht unüblich im Krankenhaus. Hab selbst auf der Gyn gearbeitet und mir taten die Frauen immer sehr leid, wenn sie so lange warten mussten.
Aber schön das alles soweit gut gegangen ist. Freut mich für Euch.
Ich hatte bis jetzt zwei normale Geburten, jetzt bei unserem Mann könnte es ein Kaiserschnitt werden – mir graut davor! Möchte keinen, aber wenn es sich nicht ändern lässt…..da ist gut zu wissen, wie sich andere danach fühlen, dann ist man einwenig darauf vorbereitet. Es muss schon ein etwas anderes Gefühl sein, ob man normal gebärt oder per Kaiserschnitt……auch nach einer normalen Geburt – je nach Schmerzen – kann es ziemlich auf die Psyche gehen, Kaiserschnitt ist da wieder was anderes…..schwierig….
Ich hoffe, dass – egal welcher Geburtsmodus es auch immer wird – es eine schöne Erfahrung wird. Ohne traumatische Erlebnisse und mit viel Empathie und Zeit für dich <3
Liebe Grüße
Mother Birth