Über Schutzbedürftigkeit

Ich hoffe, ihr versteht den folgenden Text, als das, was er sein soll: ein Erklärungsversuch für mein inneres Gefühlschaos mit dem ich mich weit aus meinem Schneckenhaus gewagt habe…


Darin würde ich mir zur Zeit am liebsten zurückziehen.
Darin würde ich mir zur Zeit am liebsten zurückziehen.

Ich möchte mich in ein schützendes Schneckenhaus zurückziehen

Ich habe irgendwie ein starkes Schutzbedürfnis entwickelt, was ich so vorher nie hatte und auch aus den beiden anderen Schwangerschaften nicht kannte. Ich würde mich am liebsten in ein schützendes Schneckenhaus zurückziehen. Habe ein unglaubliches Bedürfnis danach, mich und mein Baby zu schützen. Wovor? Ich kann es euch nicht beantworten. Ich habe nur dieses Gefühl, welches ich einfach nicht ignorieren kann. Eine Schutzhülle, die mich umgibt, an der alles abprallt – die wäre so wunderbar gerade. Ich bin sehr verletzlich zur Zeit. Worte treffen mich, gehen mir unter die Haut und hinterlassen Spuren, die nicht so schnell wieder verblassen wollen. Und so bin ich eigentlich gar nicht. So kenne ich mich selbst nicht. Es geht nicht darum, dass ich nicht mehr kritikfähig wäre – das bin ich auch weiterhin. Nur die Emotionen der Anderen gehen mir sehr nahe, manchmal zu nahe. Ich möchte mich schützen und kann es nicht immer.

Jedes meines Kinder hat mich etwas über mich selbst lernen lassen: dieses Kind scheint meine sensible, verletzliche Seite, die ich gerne ins Abseits gestellt habe, ans Licht zu zerren. Warum? Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht weil mein Fokus im bisherigen Leben immer auf mein Gegenüber lag. Seine Bedürfnisse über meinen. Nun ist es das erste Mal anders. Und ungewohnt für mich. Seltsam. Ich weiß nicht wie ich damit umgehen soll. Wie kann ich mich schützen? Kann ich das überhaupt? Ich hab es nie wirklich gelernt…

Und da ist ja noch mein Blog…

Der Blog mit meinen Texten, Ansichten und Gedanken macht mich leicht angreifbar… So ist das halt, wenn man öffentlich im Netz unterwegs ist. Das war für mich auch immer ok. Ich konnte damit umgehen. Nun mache ich mir Sorgen, denn: die Themen, an denen mein Herz zur Zeit hängt – Schwangerschaft und Geburt – sind reine Trigger-Minenfelder. Ein falsches Wort und schon … Booooommmm!!!! Bei einigen Themen ist ganz klar: Trigger! Ohne Zweifel, da MUSS eine Trigger-Warnung drüber stehen. Keine Frage. Dann gibt es wiederum Themen, da hab ich es einfach nicht im Blickfeld, dass dieser Text triggern könnte. Ich seh es einfach nicht – vielleicht weil mein Fokus ein anderer war beim Schreiben…? So kam es vor, dass ich mit meinem Text unwissend und unbedacht getriggert und damit einige meiner Leserinnen verletzt habe. Das tut mir unendlich leid. Das habe ich nie gewollt. Aber ich bin nicht perfekt. Ich denke nicht immer an alles. Ist das nicht menschlich? Oder bin ich nicht ausreichend gewissenhaft mit meinen Texten und achtsam genug mit meinen Leseren? Ich fühle mich in einem Zwiespalt gefangen. Und sind wir mal ganz ehrlich: fast jeder Thema rund um Schwangerschaft und Geburt kann triggern und tut es auch. Denn Trigger sind manchmal so individuell wie wir und was für einige harmlose Zeilen sind, lässt andere wiederum aus der Haut fahren. Ich kann gar nicht zu 100% verhindern, dass irgendwer von euch unabsichtlich getriggert wird. Auch wenn ich es mir noch so sehr wünschen würde, dass ich euch schützen könnte. Und nun? Wie soll ich damit umgehen?

Die Sache mit den Triggern* – ein Einschub, aber ein wichtiger!

Dazu möchte ich gerne auch noch Stellung beziehen, denn: auch ich kenne Traumata – ja mehrere! – nur zu gut. Ich weiß, wie es sich anfühlt getriggert zu werden. Ein ganz fieses Gefühl. In mir scheint dann immer ein loderndes Feuer der Emotionen zu brennen, welches ich meist nicht unter Kontrolle habe. Ein Funke – Trigger – löst in Sekundenschnelle einen Flächenbrand aus, der außer Kontrolle ist und mich aus derselbigen bringt. Es ist ein ohnmächtiges Gefühl, welches mich nur zu oft mitreißt und mich zu Worten oder Handlungen hinreißen lässt, die mir gar nicht ähnlich sehen. Aber in dem Moment bin ich nicht Frau der Lage. Ich fühle mich emotional ferngesteuert. Alle Emotionen kommen hoch – ungefiltert und überrollen mich. Manchmal kann es nur ein Wort sein. Ein Satz. Ein Geräusch. Ein Bild. Ein Duft. Es kann alles ein Trigger sein. Viele MEINER Trigger kenne ich. Einige EURER Trigger sind mir auch bewusst. Aber ALLE? Kann ich nicht kennen – selbst meine eigenen kenne ich nicht alle. Wusstet ihr, dass für mich der mit Abstand schlimmste Trigger nichts – rein gar nichts – mit Geburt zu tun hat? Mein mich bis heute immer wieder in die Knie zwingender Trigger ist: das kirchliche ORGELSPIEL. Hätte das einer von euch erraten? Vermutlich nein.

Die Traumatherapie hat mir zu einer gewissen Selbstreflexion verholfen: ich konnte an mir selbst beobachten, was Trigger mit mir machten. Sie ließen mich – für andere ohne ersichtlichen Grund – um mich schlagen, um das emotionale Chaos in meinem Inneren zum Schweigen zu bringen. Ich wollte meinen Schmerz nach außen tragen, um ihn loszuwerden. Koste es, was es wolle. Feinfühlig war ich dann nicht, weil ich – so getriggert wie ich war – eh nichts fühlen konnte, außer diesen alles vernichtenden Schmerz. Meine Therapeutin gab mir dann mal den Rat:

Jedes Mal wenn sie diese überwältigenden Emotionen erfassen, dann halten sie sich erstmal ein imaginäres Stoppschild vor die Augen. Atmen sie einmal tief durch und dann fragen sie sich: „Hat ihr Gegenüber ihre Wut und Trauer verdient, mit der sie ihn jetzt überschütten wollen?

Wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen: Nein, fast nie! Ich wurde vielleicht durch ihn/sie getriggert, aber er/sie ist nicht der Grund, die Ursache, für den Trigger – meist kann diese Person überhaupt nichts für mein Trauma. Vielleicht kennt er/sie es auch gar nicht. Ich schaffe es bei Weitem nicht oft genug, das Stoppschild nach oben zu halten und mich zu bremsen, aber manchmal eben schon. Dann kann ein Gespräch stattfinden, dass nicht auf gegenseitigen Verletzungen, Vorwürfen und Beleihungen basiert. Aus meiner Erfahrung sind es wunderschöne Gespräche, die sich ergeben mit gegenseitigen Verständnis und Rücksichtnahme.

Dilemma ohne scheinbaren Ausweg

So zurück zum eigentlichen Thema: ich habe Angst zu bloggen. Fühle mich schutzlos. Habe Sorge zu triggern, andere zu verletzten – ungewollt. Ihre Reaktionen, die ich nur allzu sehr nachvollziehen und – fühlen kann #ausgründen , kann ich aber zur Zeit nicht so reflektieren, wie ich es „normalerweise“ kann. Sie verletzen mich und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Wie ich mich schützen kann. Und andererseits möchte ich auch euch schützen. Denn mir liegt nichts ferner, als mit meinen Texten euch zu triggern. Sie sollen Mut machen und euch helfen. Nicht das Gegenteil bewirken! Ein Dilemma: beidseitige Schutzbedürftigkeit, zu dem ich eine Lösung finden muss – für mich, für euch – um unbeschwert weiter bloggen zu können.

  • Eine Variante wäre, dass ich meine Texte mit einem Passwort schütze, aber das widerspricht der Grundidee, warum ich meinen Blog schreibe. Also fällt für mich diese Lösung weg.
  • Mo Zart beschrieb eine andere, nicht wirklich denkbare, Lösung sehr passend so: „Was wohl unproblematisch ist, sind Posts, in denen Du schreibst: Puh, es ist anstrengend, ich will, dass es aufhört. Da bekommst Du sicher viel Mitgefühl und Zuspruch. Aber das bist Du nicht. Du lebst von der positiven Energie. Und das ist toll.“ So ist es und ich habe dem nichts hinzuzufügen! <3
  • Eine dritte Möglichkeit wäre, dass ich konsequent über JEDEN neuen Post eine Trigger-Warnung schreibe. Auch keine wirklich schöne Lösung, wie ich finde. Denn eine inflationäre Nutzung halte ich persönlich nicht unbedingt für sinnvoll und hilfreich.

Meine Lösung – nicht perfekt, aber ich hoffe für alle die Beste

Ich werde diesen Text hier mit einem einleitenden Satz in allen kommenden Blogbeiträgen zum Thema Schwangerschaft und Geburt verlinken. Damit möchte ich einerseits euch auf meine derzeitige besondere Verletzlichkeit hinweisen und zum anderen verdeutlichen, dass mir trotz aller Achtsamkeit und Umsichtigkeit nie gelingen kann niemanden zu triggern, denn Trigger sind gerade im Themenbereich rund um Schwangerschaft und Geburt einfach zu vielfältig, um sicher gehen zu können, alle zu vermeiden. Das bedauere ich sehr, aber ändern kann ich es nicht.

Mein Wunsch wäre es – sollte ich unbewusst doch jemanden mit meinen Texten verletzen – dass ich eine angemessene Rückmeldung bekomme. Mit mir kann man reden. Ich habe viel Verständnis und würde auch behaupten, dass ich emphatisch bin. Also sucht bitte das Gespräch mit mir. Erzählt eure Geschichte. Ich habe ein offenes Ohr. Denn wütende, verletzende Worte machen es mir deutlich schwerer euch und eure Geschichte hinter dem Trigger zu sehen. Gerade jetzt, wo mir alles so sehr nahe und unter die Haut geht. 

Ich bitte euch um euer Verständnis.

Danke.

 

*EURE MOTHER BIRTH*

*Ich mag das Wort: „Trigger“ nicht sonderlich, aber es ist ein allgemein gültiger Begriff, mit dem die meisten etwas anfangen können. Deshalb werde ich ihn nutzen.

#Trigger #Triggerwarnung #Schwangerschaft #Geburt #schutzbedürftig #Schutzbedürftigkeit #Verständnis

MerkenMerken

9 Gedanken zu „Über Schutzbedürftigkeit

  1. Pingback: Gedichte: Herzschlag meiner Gefühlswelt – am Puls meiner Seele | motherbirthblog

  2. Pingback: Der erste Ultraschall oder eben auch noch nicht! – frei nach dem „Schwedischen Modell“ | motherbirthblog

  3. Pingback: Meine Schwangerschaftsvorsorge* – natürlich durch meine Hebamme! | motherbirthblog

  4. motherbirthblog Autor des BeitragsAntworten

    Liebe Mara,

    ich danke dir von Herzen für deine lieben Worte und ich habe dich natürlich verstanden 🙂 Diese Geste der Umarmung hätte mir damals sicherlich sehr gut getan <3 (und wahrscheinlich auch jetzt noch…)

    Ich möchte weiterschreiben. Deshalb auch dieser Text jetzt. Es war und ist mir wichtig klarzustellen, dass es nie in meinem Sinn ist und war, andere mit meinen Worten zu verletzten. Leider gibt es unzählige Trigger und ich kann eben nicht jeden umgehen. Das ist unmöglich. Ich würde mich freuen, wenn meine Leser im Hinterkopf haben, dass ich niemals mit böser und beleidigender Absicht Texte schreiben würde – NIE. Ich hoffe, dass ist deutlich geworden. Ebenso wie meine jetzige Verletzlichkeit. Ich versuche mein Bestes um die Schutzbedürftigkeit meiner Leser zu wahren und ich hoffe, dass dies auf Gegenseitigkeit beruht.

    Liebe Grüße
    Mother Birth

  5. Goldsophie Antworten

    Ich kann dich gut verstehen.
    In meiner Schwangerschaft musste ich mich auch mehrfach mit Tränen zurückziehen, weil ich Streit un negative Emotionen nicht gut verkraften konnte. Da hab ich mich zu Weihnachten mit der Familiealleine aufs Sofa verkrochen um zu häkeln.
    Ich fand es dann ganz gut so heftig zu reagieren, weil es mir sonst schwer fällt auf mich zu achten und gerade in der Schwangerschaft sollte man das besonders tun.
    Mein schlimmster Trigger war lange Zeit übrigens Flüstern.
    Also ich verstehe dich und umarme dich.
    Du bist ein toller Mensch, verlier bloß nicht den Mut.
    Und pass auf euch auf <3

    • motherbirthblog Autor des BeitragsAntworten

      Mir fällt es auch eher schwer, auf mich selbst zu achten. Und nun spüre ich es deutlich, dass ich es doch lieber tun sollte – mehr auf mich achten.
      Trotzdem möchte ich für meine Leserinnen da sein und ihnen Mut machen ihren Weg zu finden. Dafür möchte und muss ich weiterbloggen.
      Ich werde den Spagat versuchen beiden Seiten gerecht zu werden – mir und meinen Lesern. Ich hoffe mir gelingt es.

      Vielen lieben Dank für deine Worte <3

      Liebe Grüße
      Mother Birth

  6. sonnenshyn Antworten

    Du bist ein ganz toller und SEHR empathischer Mensch. Es tut mir wirklich leid wie das vor kurzem gelaufen ist, weil ich absolut davon überzeugt bin, dass du niemanden weh tun wolltest!

    Im übrigen finde ich es sehr schön dass diese Schwangerschaft eine neue (?) Seite bei dir hervor holt, denn auch diese kann dir ganz neue tolle Wege öffnen. Ich hoffe du siehst die sensible Seite nicht als Schwäche an, denn das ist sie sicherlich nicht.

    Sonnige Grüße

    • motherbirthblog Autor des BeitragsAntworten

      Nein, ich wollte niemanden weh tun. Mir tut schon allein der Gedanke weh, dass das irgendwer nur vermuten könnte, dass ich das tun wollte.

      Ich sehe diese „neue“ Seite auch als Chance für mich. Allerdings muss ich mich noch von alten Glaubensmustern befreien, denn meine Mutter hat mir immer wieder eindringlich klargemacht:
      sensibel sein ist schlecht – man zeigt seine Schwäche!
      Sie nannte mich dann gerne mal: SENSIBELCHEN (Schimpfwort in ihren Augen)
      Aber ich hoffe das überwinden zu können und es für mich umzukehren in etwas Positives!

      Liebe Grüße
      Mother Birth

Schreibe einen Kommentar zu motherbirthblog Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert