Unser Blick auf Geburten: hochriskant!!!

Wann hat sich das Blatt eigentlich gewendet? Wann ist aus einem der natürlichsten Vorgänge der Welt – ein Kind zu gebären – ein kompliziertes, medizinisches, Risiko behaftetes Ereignis geworden, vor dem man Angst haben muss?… Eine gute Frage! Mir ist sehr wohl bewusst, dass es Geburtsverläufe gibt, bei denen eine konkrete Gefahr für Mutter und Kind besteht. Darum soll es hier aber gar nicht gehen, sondern vielmehr um ein kollektives Gefühl der Verunsicherung, der Angst und des umkalkulierbaren Risikos, das eine Geburt zur vermeintlichen (Lebens-)Gefahr werden lässt.

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Das gefühlte Risiko… by Pixabay

Das Risikobewusstsein ist gestiegen

Mir fällt in Gesprächen mit anderen immer wieder auf, wie groß das Risikobewusstsein in Bezug auf Geburten doch geworden ist. Mein Wunsch nach einer Hausgeburt wird, wenn es freundlich gemeint ist, oft so kommentiert:

„Das ist aber MUTIG…“

Ich frage dann immer, was meine Entscheidung denn so „mutig“ machen würde. Dann komme ich Antworten wie diese:

„Naja, da ist ja kein OP… und kein Arzt und kein Krankenhaus. Was, wenn das Baby nicht atmet? Was, wenn du verblutest? Was, wenn das Baby stecken bleibt? Was, wenn…“

Sie spiegeln die Angst vor einem imaginären Risiko, das nicht einmal in Zahlen und Fakten beziffert werden kann, wieder. Es geht vielmehr um ein Gefühl der Verunsicherung. Eine Geburt ist in den meisten Augen eine unsichere, umkalkulierbare Sache, die am besten in Händen von Ärzten und in der Sicherheit eines Krankenhauses aufgehoben ist. Alles andere wäre hochriskant!!! Ein Wagnis, das man nicht eingehen sollte. Zu unsicher! Fakt aber ist: die gesammelten und ausgewerteten Daten zur außenklinischen Geburtshilfe zeigen deren Sicherheit – gleichwertig zum Krankenhaus! Ob man das nun hören will oder nicht. Die meisten wollen es nicht hören… Sie bleiben in ihrer Angst gefangen und glauben weiterhin an ein unkalkulierbares Risiko, das beherrscht werden muss. Ein natürliches Vertrauen in den weiblichen Körper, der schon seit Jahrtausenden Kinder gebärt? Oft Fehlanzeige. Stattdessen Zweifel und Angst – auf allen Seiten.

Ein Paradoxon

Eine Geburt wird als Gefahr wahrgenommen. Für Leib und Leben. Für Mutter und Kind. Als etwas Bedrohliches, was man durchstehen muss. Gegen das man sich bestmöglich absichern sollte. Es geht um Sicherheit beziehungsweise um das Gefühl von Sicherheit. Der Fokus liegt auf dem Risiko, nicht mehr auf dem Einzigartigen dieser unglaublichen Naturgewalt. Dem gefühlten Risiko steht faktisch entgegen, dass eine Geburt noch nie so sicher war wie heute. Paradoxerweise ist die Angst vor ihr ebenfalls so groß wie noch nie! Auf Grundlage von Fakten ist dies also nicht zu erklären. Angst als Ratgeber: hierbei werden Entscheidungen nicht rational getroffen auf der Grundlage von Fakten, sondern basierend auf Emotionen. Und diese sind bekanntlich wenig rational…

Das Leiden der Frau

Ein weiterer Punkt, der mir immer wieder begegnet ist, dass Geburten mit Leiden gleichgesetzt werden. Mit körperlichen Schmerzen der Frau und Ängsten, die alle Beteiligten ausstehen müssen, bis das Baby zum Glück gesund und wohlbehalten auf die Welt gebracht wurde. Das eine Geburt eine Grenzerfahrung ist, die eine Frau auch positiv bestärken kann in ihrer Kraft, wird oftmals außen vor gelassen. Der Fokus liegt auf Leid – nicht auf Liebe, Hingabe oder Überwindung eigener Grenzen. Dass die Geburt eine wundervolle transformative Erfahrung auf ganz unterschiedlichen Ebenen sein kann, wird außer Acht gelassen.

Etwas ist verloren gegangen…

Etwas ist verloren gegangen… Etwas Entscheidendes! Die gute Hoffnung. Der Glaube an die eigene Gebärkraft. Das Vertrauen in die Natur. Stattdessen ist unser Blick auf Geburten geprägt von Risiko, Angst und Unsicherheit. Eine Entwicklung, die mich persönlich traurig stimmt. Das einzigartige Wunder der Geburt ist oftmals negativ besetzt. Risikobehaftet. Angst machend. Ich möchte die Geburt als Fest sehen, denn sie ist schließlich der allererste GEBURTstag meines Kindes! Und diesen lasse ich mir durch eine irrationale Angst nicht verderben 😉 …

 

*EURE MOTHER BIRTH*

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7 Gedanken zu „Unser Blick auf Geburten: hochriskant!!!

  1. Sylvi Antworten

    Ich hatte dies gar nicht von der Außenwelt so an mich ran gelassen, erst gerade wird mir das richtig bewusst. Tatsächlich fragte mich jemand neulich „Und? Hast du Angst vor der Geburt?“ und ich habe ganz klar mit „Nein“ geantwortet. Und habe der Person gesagt, dass mein Körper schon weiß was er tut. Seit Tag X weiß mein Körper genau was er zu tun hat, selbst bevor ich mir selber richtig bewusst war, dass ich schwanger bin! Ich vertraue da wirklich auf meinem Körper. Das sage ich wohl gemerkt jetzt, wer weiß wie ich darüber im April/Mai denke. 😀

    Aber so hast du natürlich auch recht. Die Geburt wird einem mittlerweile als Gefahr für einen selbst und dem Kind deklariert. Aber deine Ansicht finde ich sehr schön, die Geburt als Fest zu sehen. 🙂 Ich hoffe ich denke da auch noch in knappen 3 Monaten so drüber 😉

    • motherbirthblog Autor des BeitragsAntworten

      Liebe Sylvi,

      ich finde deine Einstellung wunderbar. Dein Vertrauen in dich und deinen Körper ist die beste Voraussetzung für eine schöne Geburtserfahrung, die ich dir von Herzen wünsche! <3
      Verliere diese Einstellung bitte nicht bis April/Mai. Sie ist so wertvoll und kann dir bei der Geburt sehr hilfreich sein.

      Zünde zur Geburt eine Kerze an! Zum GEBURTstag – zum allersten Geburtstag deines Kindes. Es ist ein Fest. Ihr solltest es freien und alle mit anwesenden Personen auch! Denke daran bitte immer. Notfalls schreibe dir einen kleinen Notizzettel, hänge ihn an die Wand und schaue immer wieder drauf 🙂

      Liebe Grüße
      Mother Birth

  2. motherbirthblog Autor des BeitragsAntworten

    Liebe Kathi,

    du hast absolut recht! Unser gesamter Alltag besteht aus Gefahren. Wir haben gelernt mit ihnen zu leben. Wenn man bedenkt, wie hoch die Gefahr ist im Straßenverkehr zu verunglücken – auch tödlich – gehen viele Eltern fast „sorglos“ (Ironie) damit um. Man tut es halt… Geht ja gar nicht anders… Lässt sich ja nicht vermeiden… Dieselben Eltern aber haben eine überzogene Angst, dass ihnen oder ihrem Kind bei der Geburt Gefahr droht. Dort ist es aber eher eine gefühlte Bedrohung anstatt wie beim Autofahren eine konkrete. Der Unterschied: Wenn ich das Auto lenke, habe ich es vermeintlich in der Hand, was passiert (was natürlich naiv ist, da es auch noch andere Verkehrsteilnehmer gibt…). Bei der Geburt neigen wir aber das Ruder aus der Hand zu geben. Die Verantwortung abzugeben und damit kommen Ängste hoch und das Gefühl des Unkontrollierbaren…

    Liebe Grüße
    Mother Birth

  3. lafrancophile Antworten

    Spannende Frage!

    Ich als riesengroßer Angsthase muss gestehen, dass ich die Idee einer „gefährlichen“ Geburt (also grundsätzlich, nicht auf den Geburtsort bezogen) nachvollziehen kann. Mir macht sie auch Angst. Weil es am Ende doch unkontrollierbare Kräfte sind, Naturgewalten. Das muss ja auch gar nicht (nur) negativ sein. Angsthasen-Ich fürchtet sich vor der unbekannten Komponente. 😀

    Und gleichzeitig denke ich, das ganze Leben ist ein Risiko. Frauen sind immer auch bei Geburten gestorben, tun das heute auch noch. Für mich ist das irgendwie etwas, was dann einfach irgendwie dazugehört. Also das Risiko, dass etwas passieren kann. Genauso, wie es das Risiko gibt, dass mein Baby im Mutterleib stirbt. Oder „behindert“ auf die Welt kommt. Das sind ja auch Risiken, mit denen die Gesellschaft versucht, einen wahnsinnig zu machen. Und damit leben wir einfach (haben alle Pränataldiagnostik abgelehnt, und wenn ich fünfmal zu alt wäre). Schließlich könnte ich ja auch gleich vom Bus überfahren werden.

    Ich hoffe, meine Gedanken sind nicht zu wirr, es ist noch früh!

    • motherbirthblog Autor des BeitragsAntworten

      Das Furcht vor dem Unbekannten ist ein ganz normaler Reflex des Menschen. Es ist eine Art Schutzmechanismus. Wir müssen uns nur bewusst werden, dass wie einen gesunden Respekt vor unbekannten Situationen haben sollten, aber keine Angst. Angst lähmt und ist kein guter Ratgeber. Nie. Respekt ist etwas anderes. Etwas Rationales. Man kann alle Faktoren mit Abstand betrachten – ohne emotionales Hemmnis. das hilft ungemein.

      Nein, deine Gedanken habe ich verstanden 😉 …

      Liebe Grüße
      Mother Birth

      • lafrancophile Antworten

        Das ist interessant, diesen Unterschied zwischen Angst und Respekt habe ich noch nie so bewusst wahrgenommen.
        Und lustigerweise hilft mir das ganz grundsätzlich weiter, nicht nur in Bezug auf die Geburt. Da meine erste Schwangerschaft sehr unvermittelt in der 33. Woche endete (mit gutem Ausgang; dennoch reagiere ich seitdem etwas allergisch auf die häufige Floskel von „unser Körper weiß schon was er tut“ – danke, meiner wollte uns umbringen), schwanke ich in der derzeitigen Schwangerschaft zwischen Freude bzw. der Zuversicht, dass es dieses Mal gut gehen wird und ich eine Geburt erleben werde, und der Angst, es wieder nicht zu schaffen und daher lieber nichts zu planen. Zwar empfand ich nichts von beidem als hilfreich, aber letzteres war doch immer recht destruktiv.
        Mit Respekt vor einem möglichen Verlauf statt der Angst bleibt immer noch die Möglichkeit eines konstruktiven Handelns. Das gefällt mir 🙂

        Liebe Grüße

        • motherbirthblog Autor des BeitragsAntworten

          Ich selbst habe immer noch Respekt vor der Naturgewalt einer Geburt, aber eben keine Angst mehr, die mich schon Wochen vorher in meinem Tun und Fühlen lähmt. Das tut niemanden gut und ist niemals hilfreich.
          Respekt bedeutet für mich auch, dass ich mögliche Wendungen besser akzeptieren kann, auch wenn sie nicht meiner Wunschvision entsprechen.
          Es freut mich wahnsinnig, dass ich dir helfen konnte den Blickwinkel zu ändern. das hilft meist schon <3

          Liebe Grüße
          Mother Birth

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