{17} Stillen in der Öffentlichkeit – #Gastbeitrag von Erdbeerlila

Bis dato dachte ich, ich wäre gänzlich die Falsche, um über dieses Thema zu schreiben. Aber die liebe MotherBirth hat es (wie so oft) geschafft, mir die Augen zu öffnen, denn grade WEIL es so ein schwieriges Thema für meine kleine Helena und mich war, ist es vielleicht wert, darüber zu schreiben.

Und ich bin so dankbar dafür, dass du liebe Lila von Erdbeerlila doch noch diesen #Gastbeitrag zum Thema: Stillen in der Öffentlichkeit für mich geschrieben hast. Ich war beim Lesen zu Tränen gerührt! Ich habe deine Verzweiflung, deine Trauer und deine innere Zerrissenheit fast körperlich nachspüren können. Es tut mir so unendlich leid für dich. Ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass du eine zweite Chance bekommst und dass dann all deine Wünsche und Hoffnungen in Erfüllung gehen <3 Lass dich mal ganz fest drücken!


Es hätte so schön sein können…

Ich möchte von Anfang an berichten: Wie wahrscheinlich die meisten Frauen habe ich davon geträumt, mein kleines Baby nach der Geburt direkt an meine Brust legen zu können und die nächsten wenigstens sechs Monate lockerflockig auf Wolke 7 mein kleines Krümelbaby sanft zu stillen, wann immer sie hungrig ist und das ist alles gar kein Problem, denn dafür sind sie ja nun gemacht, meine Brüste. Haha.

Realität trifft Wunschvorstellung

Lange Geburt, geprägt von Angst und Kaiserschnittandrohung. Danach 1 Stunde nähen und Wunden versorgen, mein Mann hatte das Krümelbaby und die beiden himmelten sich gegenseitig an, aber anlegen durfte ich sie nicht. Am selben Tag noch Verwandtenbesuch, ich zog mich in den neu gestalteten, superhippen Stillraum der Station zurück, nahm meine Schwester mit. Sie half mir beim ersten Wickeln und Anlegen, aber dieses kleine Wesen und ich fanden keinen Weg zueinander und die obermodernen, hippen Sessel zum Stillen waren Cocktailsessel, diese engen mit den hohen Armlehnen. Nein, das klappte nicht. Aber Helena erschien auch nicht allzu hungrig.

Stillzeit sei keine Kuschelzeit…

In der ersten Nacht weinte sie. Und weinte und weinte. In meiner Verzweiflung ging ich hilfesuchend ins Hebammenzimmer, habe um Unterstützung gebettelt. Die Dame dort setzte mich in einen…genau….superhippen Cocktailsessel, quetschte und drückte an meiner Brust rum und versuchte sie meinem Baby in den Mund zu stopfen. Klappte nicht.

„Hatten sie schon den Milcheinschuss?“

„Keine Ahnung, wie fühlt sich das an?“

„Das merken Sie dann schon.“

Aha…

Man gab mir eine Milchpumpe und ein Stillhütchen und die Hinweise, Säuglinge bräuchten in den ersten 24 Stunden ja noch keine Nahrung und ich solle mir merken, Stillzeit sei keine Kuschelzeit, das sei ein häufiger Fehler junger Mütter.

Der Traum von der glücklich stillenden Mutter platzte

Also pumpte ich und das Bißchen, was da kam, gabs per Flasche fürs Kind. Ich bettelte die kommenden Tage um Hilfe, die ich nicht bekam und wurde zur Abschlussuntersuchung noch angepflaumt, das Baby würde ja nur so brüllen, weil es hungrig sei, ob ich mein Kind denn nicht gefüttert hätte?!? So könne man es auf keinen Fall untersuchen. Schwupps, hatte Helena eine Flasche mit Pulvermilch im Mund. Himmel, fühlte ich mich unfähig und nutzlos. Der Traum von der glücklich stillenden Mutter zerplatzte.

Hilfsmittel: Stillkissen und Stillhütchen

Am Morgen nach der Ankunft zu Hause kam der Milcheinschuss. Diese Schmerzen!!! Ich konnte nicht mal mehr meine Arme heben. Ab zur Gyn, Rezept für eine Milchpume, und mit Hilfe meiner Hebamme zu Hause langsam aber sicher für Entspannung gesorgt. Das Stillhütchen schien die Lösung zu sein, aber Stillen ging nur im Foodballgriff (komisches Wort, meint: seitlich am Körper entlang, nicht vor dem Bauch liegend), anders war mein Bauch irgendwie im Weg und meine Brüste zu groß. Zudem musste ich dauernd zusätzlich pumpen, Helena war durch Gelbsucht so erschöpft, dass sie immer nach wenigen Minuten des Trinkens schon einschlief. In den kommenden Tagen und Wochen zeigte sich, dass mein Baby generell am Liebsten dauernd an meiner Brust hing, sie trank nie in einem Zug, sondern dauernd ein bißchen. Aber in all der Zeit schafften wir es nicht, auf Stillkissen und Stillhütchen zu verzichten. Es schien nur so zu gehen.

öffentlich Stillen (müssen) …

Natürlich kam der Tag, an dem wir für mehr als eine halbe Stunde das Haus verlassen wollten. Schon bei unseren Freunden tat ich mich mit dem Stillen schwer, es schien, als ob es nur DIE EINE richtige Stellung gäbe, die wir nur zu Hause einnehmen könnten. Da mein Krümelchen das Trinken aus der Flasche gewohnt war (nachts ging es nur so, im Bett stillen klappte nicht und diese eine Flasche Muttermilch, die sie nachts wollte, trank sie ruckzuck und schlief dann durch), nahm ich häufig Milch mit. Aber die hält sich ja nicht ewig, und im Park gibt’s keinen Kühlschrank. Da war also der Moment, an dem ich RICHTIG öffentlich hätte Stillen müssen. Dass ich schon ‚müssen‘ schreibe, tut mir weh, den ich WOLLTE es doch so sehr.

Verzweiflung statt inniger Moment

Das Kind in Seitenhaltung anlegen geht nicht ohne Kissen oder eine andere Stütze, anders fanden aber ihr Mund und das Stillhütchen nicht den Weg zueinander, ich versuchte es wirklich. Mein Mädchen weinte verzweifelt, ich wollte mitweinen, und die Leute guckten komisch. Ich zudem völlig verkrampft, denn auf keinen Fall wollte ich meinen dicken Bauch und meine Speckrollen öffentlich zeigen (um meine Brüste wars mir aber ehrlich gesagt egal, sind halt Brüste). Zig verzweifelte Versuche. Es war Herbst, die Kleidungsschichten, die hoch, runter, zur Seite geschoben werden mussten mehrten sich, es gab nicht einen erfolgreichen Stillmoment. Ich wurde immer kleiner, unsicherer, die Leute konnten bestimmt meine Verzweiflung sehen. Ob sie denken „Die kann ja nicht mal ihr Kind füttern“ oder „Ja, zum Glück klappts nicht, den nackten Speck will wirklich niemand sehen“ oder ob sie einfach Mitleid haben, egal, ich war nicht frei.

(Und sind wir mal kurz ehrlich: NATÜRLICH denken jetzt die meisten von euch: Man sollte sich für seinen Körper nicht schämen und sowas, aber die Realität ist, dass Menschen schnell und auf den ersten Blick urteilen, IMMER! Und nur die allerwenigsten gehen den nächsten Schritt und werden sich bewusst, dass sie grad vielleicht zu Unrecht verurteilen. Das weiß ich sehr genau, das haben die letzten Jahre mich gelehrt.)

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Eins der wenigen Bilder aus der Stillzeit…

Zwiespalt der Gefühle

Es kam, wie es kommen musste…die olle Milchpumpe, das Stillhütchen, meine Komplexe…erst steigerte sich die Menge Muttermilch, die sie aus der Flasche bekam, und irgendwann gabs Pulvermilch als Ergänzung. Ich entspannte mich, weil ich einfach mit Helena raus konnte und heißes Wasser sowie Milchpulver immer parat waren, ein tolles Gefühl. Und gleichzeitig trauerte ich, denn OH GOTT, ich hab dieses Gefühl des Kindes an meiner Brust so geliebt (nimm DAS, du olle Stillzeit ist keine Kuschelzeit-Kuh!), diese großen, tiefdunklen Augen die mich zufrieden und sanft anschauen, und das Wissen, dass sie nur hier wirklich zur Ruhe kommen konnte. Ja, eigentlich waren wir wie gemacht fürs Stillen. Und doch haben wir den Weg nicht geschafft.

Ein schwerer Abschied

Vier Monate haben wir gekämpft und ich weiß noch, wie bitterlich ich geweint habe, als die Milchpumpe und mein Kind mir deutlich machten, dass da kein Tropfen Muttermilch mehr kam. Aber wie man weiß: Die Milchmenge richtet sich nach der Nachfrage, und je mehr wir unterwegs waren, desto weniger stillte ich, denn es war eben nicht mein Ding, das Stillen in der Öffentlichkeit. Obwohl es doch so sehr mein Ding war. Noch Monate später habe ich mich zu den Thema ‚Relaktation‘ informiert, denn zum Einschlafen und wach werden trank Helena noch immer liebend gern eine Milch, und wäre ich nur etwas mutiger gewesen, hätte ich es tatsächlich probiert.

Mut neue Wege gehen zu wollen

Rückblickend sage ich: Ich hätte mehr Wege gehen müssen, mir Hilfe holen müssen. Dieses essentielle Bedürfnis nach Nahrung und Nähe EGAL an welchen Ort hätte über Allem stehen müssen, zumal ich es mir ja auch so sehr wünschte. Aber die Scham, meinen Körper zu zeigen und angeguckt zu werden, mein negatives Körpergefühl haben mir einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Dennoch finde ich auch Positives in diesem Weg: Ich weiß, wo die Fehler lagen, ich weiß, wie ich es besser machen würde. Wenn wir denn nochmal den Segen eines weiteren Kindes beschert bekommen, dann lasse ich mich nicht von merkwürdigen Hebammen beirren. Ich weiß jetzt, dass Stillen Liebe ist, dass es Geduld und Zeit braucht, dass der Weg nicht einfach ist und ich bis dahin dringen an meinem Selbstwertgefühl arbeiten muss.

Aber ich werde es wieder versuchen! Auch und erst recht öffentlich!!


Hier findet ihr die ersten 16 #Anekdoten zum Thema: Stillen in der Öffentlichkeit


Vielleicht habt ihr auch eine nette kleine oder größere #Anekdote zum Thema: Stillen in der Öffentlichkeit. Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr eure #Anekdote bei mir als #Gastbeitrag teilen würdet! Hab ihr Lust? Dann meldet euch gerne per Mail bei mir unter: motherbirth@gmx.de!!! Ich freue mich <3

*EURE MOTHER BIRTH*

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  9. Elli Antworten

    Danke für diesen ehrlichen Bericht! Ich hatte auch ähnliche Probleme beim Stillen, im Krankenhaus mit unfähigem Personal (nur die zwei aus der ersten Nacht! So ein Pech!) , dazu die Wunden der Geburt u.v.m….der Kinderarzt meinte, dass wir zufüttern müssen.: „Erst stillen, dann zufüttern “ Wir haben dann jeden Tag nach dem Stillen eine Flasche Pre geben müssen (Anfangs per Fingerfeeding). Dabei ist es geblieben! So darf ich trotzdem lange stillen, und abends gibt mein Mann ganz stolz die Flasche. Wir haben etwas Glück gehabt, weil wir die weltbeste Hebamme erwischt haben. Es ist nicht perfekt, aber es ist die bestmögliche Situation für uns alle. Ich bin sehr glücklich!

    • motherbirthblog Autor des BeitragsAntworten

      Liebe Elli,

      du hattest zum Glück eine tolle Hebamme, die dich unterstützt hat und euch bei eurem Stillweg begleitet. Es freut mich zu hören, dass ihr trotz des schlechten Starts glücklich mit der aktuellen Stillsituation seid <3 Das ist das wichtigste!

      Liebe Grüße
      Mother Birth

  10. Regen Bogen Antworten

    Ach Mensch da werde ich direkt traurig, weil es mich an unsere Geschichte erinnert. Mein Sohn kam als Kaiserschnitt ungeplant und Bonding fand zwischen Papa und Sohn statt. Mein Sohn hat erst Stunden später Durst bekommen und so recht mit OP Schmerzen klappen wollte es nicht. Wunschkaiserschnitte werde ich wohl nie verstehen. Was dann folgte ist unglaublich: zu jeder Schicht kam eine Schwester mit einer neuen Idee: Fingerfeeding, Brustfeeding, Flasche, Stillhut, Pumpe… Wir haben alles durch mit dem Ergebnis dass ich das Stillen nach drei Monaten aufgegeben habe, kamen doch zum Schluss nur noch wenige Milliliter. Es ist für mich ein schmerzlicher Verlust und auch ich würde im Krankenhaus das nächste Mal energischer probieren und mir nicht so dazwischen reden lassen. Bin heute immer noch traurig, dass ich um eine natürliche Geburt und das Stillen gebracht wurde zumal es mein einziges Kind sein wird.

    • motherbirthblog Autor des BeitragsAntworten

      Das tut mir wahnsinnig leid, was dir passiert ist. 🙁
      Ich selbst habe bei meiner ersten Geburt eine Not-Sectio gehabt und mein Sohn hatte ebenfalls sein Bonding mit dem Papa. Zu meinem Glück hat das Stillen irgendwie geklappt, aber Hilfe oder Unterstützung hatte ich im KH nicht erfahren. Es war einfach nur reines Glück für dass ich unendlich dankbar bin. Es hat uns näher zusammengebracht und uns geholfen das Geburtstrauma zu überwinden.
      Am liebsten würde ich dich umarmen, aber das kann ich leider nicht. Du hast mein vollstes Mitgefühl.

      Liebe Grüße
      Mother Birth

  11. Maggie Antworten

    Hallo Lila!
    Es ist traurig, dass du so schlechte Erfahrungen gemacht hast. Ich drück dir die Daumen, dass es beim nächsten Kind besser klappt.
    Bei mir und meinem Sohn (7 Wochen) klappt das Stillen auch nur mit Stillhütchen. Ich bin aber froh, dass es überhaupt klappt, denn wir hatten auch keinen allzu guten Start (er lag 1,5 Wochen auf der Frühchen Station und da durfte ich nicht stillen, er hat in seinen ersten Tagen nur die Flasche bekommen).

    Wenn du irgendwann in der Situation bist, in der Öffentlichkeit stillen zu „müssen“ – am besten direkt stillfreundliche Kleidung anziehen, die man oben aufknöpfen oder zur Seite schieben kann. Und es gibt Stilltücher, die man über das Kind legen kann und trotzdem noch Sichtkontakt hat. Ich habe selber so eins, da ich mich auch ungern in der Öffentlichkeit entblöße, aber trotzdem mein Kind überall stillen können will.
    Vielleicht wäre das was für dich, vorausgesetzt das mit der Stillposition klappt.

    Du darfst dir jedenfalls keine Vorwürfe machen, es ist nicht dein Fehler, dass das Stillen nicht geklappt hat. Konzentrier dich auf deine kleine Maus und gib ihr all deine Liebe. Alles Gute für euch!

    • motherbirthblog Autor des BeitragsAntworten

      Liebe Maggie,

      dein Tipp mit den Stilltüchern und mit der stillfreundlichen Kleidung ist wirklich gut, wenn man als Mama lieber diskreter und vor Blicken geschützter stillen möchte – aus welchen Gründen auch immer.

      Liebe Grüße
      Mother Birth

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